

Elfenbein & Erbach
Wie das Elfenbein nach Erbach kam.
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Ende des 18. Jahrhunderts begründete Graf Franz I. zu Erbach-Erbach (1754-1823) die Tradition der Elfenbeinschnitzerei im Odenwald. Vom Geist der Aufklärung durchdrungen, entdeckte Graf Franz I. auf einer sechsjährigen Bildungsreise durch Europa die kostbarsten Elfenbeinarten und die kunstvolle Verarbeitung des edlen Materials. Zurück im Odenwald fertigte er in seiner eigenen Werkstatt unter anderem Dosen und Tafelgeschirr aus Elfenbein, Schildpatt und Büffelhorn.
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Überzeugt vom wirtschaftlichen Potenzial des Elfenbeins schuf Graf Franz I. eine zukunftsweisende Erwerbsmöglichkeit für die Region und führte den exotischen Werkstoff Elfenbein bei den Holz- und Horndrehern seiner Residenzstadt ein. Von Beginn an unterstützte er dieses wirtschaftliche Experiment durch seine Vorreiterrolle als Künstler, die Beschaffung von Material und die Reduktion von Zollbarrieren.
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1783 begann mit der Gründung der Drechslerzunft der Aufstieg Erbachs zu einem bedeutenden Zentrum der deutschen Elfenbeinverarbeitung, die bis heute ein identitätsstiftendes Moment für die Region darstellt. Erbach wurde bald zum Inbegriff guter Elfenbeinwerke - die "Erbacher Rose" wurde durch ihre Prämierung auf der Weltausstellung in Wien 1873 weltberühmt. Die Elfenbeinschnitzerei ist eine Tradition, die unter veränderten Bedingungen bis heute lebendig geblieben ist.


Elefant oder Mammut?
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Elfenbein ist ein lang haltbarer Werkstoff zur Herstellung von Gebrauchsgegenständen, Kunst und Schmuck. Bereits in der Steinzeit fertigten Menschen daraus Gebrauchsgegenstände wie Nadeln und Speerspitzen sowie kleine Skulpturen. Die steigenden Ansprüche einer wachsenden Weltbevölkerung haben die Zahl der Elefanten jedoch stark reduziert.
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Vor dem Hintergrund dieser alarmierenden Entwicklungen beschloss die internationale Staatengemeinschaft, der ausufernden Nutzung von Elefanten-Elfenbein einen Riegel vorzuschieben. So wurde 1989 im Washingtoner Artenschutzübereinkommen (CITES) der kommerzielle Handel mit Elfenbein des Afrikanischen Elefanten verboten. Der Asiatische Elefant und sein Elfenbein genossen diesen höchsten Schutzstatus bereits seit 1975. Seit Anfang 2022 ist in der EU der Handel mit Elfenbein und Elfenbeinprodukten grundsätzlich ausgesetzt und nur noch unter strengen Regeln in bestimmten Ausnahmefällen gestattet.
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Bei Gebrauchsgütern haben Kunststoffe, insbesondere die formstabilen Kunstharze, Elfenbein völlig verdrängt. Gründe sind die leichte Verfügbarkeit der Ausgangsmaterialien mit ihrem günstigen Preis und die je nach Anforderung zu bestimmenden Eigenschaften der Kunststoffe. Zu den Stoffen, die Elfenbein ersetzt haben, gehört auch das Porzellan, insbesondere die künstlerisch gestalteten Manufakturerzeugnisse aus Biskuitporzellan, das Mitte des 18. Jahrhunderts erfunden wurde.
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Seit Mitte des 19. Jahrhunderts war die Steinnuss, auch Taguanuss genannt, für etwa 100 Jahre ein beliebter Ersatz für Elfenbein. Die Steinnuss (Elfenbeinnuss) ist der Samen der Steinnusspalmen (Elfenbeinpalme) Südamerikas. Durch monatelange Trocknung erhält die Steinnuss die Härte von Knochen. Es hat die Farbe von sehr hellem Elfenbein und kann wie dieses bearbeitet und beliebig eingefärbt werden. Die Mitte der 1960er Jahre einsetzende Rückbesinnung auf Naturprodukte und Nachhaltigkeit hat zur Wiederentdeckung der Steinnuss geführt. Aus ihr werden Skulpturen, Spielsteine, Schachfiguren, Knöpfe und vieles andere gefertigt.
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Vom Artenschutz ausgenommen ist das in großen Mengen verfügbare Mammut-Elfenbein. Steinzeitliche Figuren aus Mammut-Elfenbein gelten als früheste Zeugnisse menschlichen Kunstschaffens. Die ältesten bisher gefundenen mobilen Kunstwerke sind Skulpturen aus Mammutelfenbein, wie etwa die Venus vom Hohlefels oder der Löwenmensch, für die ein Alter von über 40.000 Jahren angenommen wird.
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Seit dem Aussterben der letzten Mammuts vor etwa 4000 Jahren sind die Stoßzähne nur noch als Fossilien erhalten. Sie stammen vor allem aus Nordsibirien, wo sie im arktischen Sommer ausgegraben werden, wenn der Permafrostboden auftaut und die Schätze freigibt.
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Seine Herkunft aus einer längst vergangenen Epoche der Menschheitsgeschichte macht Mammut-Elfenbein zu einem faszinierenden und einzigartigen Rohstoff. Mit seinen Färbungen findet es vor allem in der modernen Schmuckherstellung Verwendung.