Schutzmantelmadonna kehrt in die Kreisstadt zurück

Die Schutzmantelmadonna des Erbacher Elfenbeinschnitzers Franz Ludwig Küchler (1892 - 1952) ist wieder zurück im Erbacher Schloss. Die zwischen 1944 und 1951 entstandene Arbeit war seit Beginn der 1960er Jahre in der Dauerausstellung des Deutschen Elfenbeinmuseums zu sehen, bis 2018 die Leihgabe auf Wunsch der Eigentümer in den Privatbesitz überwechselte. Dem Verein der Freunde und Förderer des Deutschen Elfenbeinmuseums ist es zu verdanken, dass das anmutige sakrale Werk nun wieder in das Barockschloss zurückgekehrt ist.

Der Ankaufswert des Werks betrug 2000 Euro, gab die Wissenschaftliche Leiterin des Museums, Edda Behringer-Roßwinkel, auf Nachfrage dieser Zeitung bekannt. Zur geglückten Rückkehr sagte sie am Mittwoch im Beisein von Vertretern des Fördervereins und der Leiterin des Schlosses, Anja Kalinowski: „Mit dem erfolgreichen Erwerb der Schutzmantelmadonna gewinnt das Museum eine Elfenbeinarbeit Franz Ludwig Küchlers, die diesen bedeutenden Erbacher Elfenbeinschnitzer in unserer Sammlung exemplarisch zu repräsentieren vermag.“ Dabei handle es sich um das einzige Werk Küchlers, das in Erbach ausgestellt werde. Für den Vereinsvorstand erklärte Ulrich Godenschweger, dass „das Geld gut angelegt ist“. Mit dem Roten Salon des Schlosses sei ferner die richtige Entscheidung des Standorts getroffen worden.

Weshalb der Erwerb nicht in den Museumsräumen, sondern in einem ausgewählten Salon zu sehen ist, hängt mit einem zweiten Werk zusammen. Dem Künstler hat als Vorbild ein spätgotisches Relief aus Holz gedient, das seinen angestammten Platz an einer Wand im Roten Salon besitzt. Dabei handle es sich um ein 1871 aus einer Privatsammlung in München erworbenes Kunstwerk, das vermutlich aus Lindenholz geschnitzt wurde. Dies gehe aus dem Supplementband zu seinem Generalkatalog von Graf Eberhard XV. (1818-1884) hervor, so Behringer-Roßwinkel.

Es zeige „Maria, die Zuflucht der Sünder, unter ihren Mantel flüchten sich: Kaiser, Papst, Fürsten, Cardinäle, Geistliche, Weltliche.“ Nachdem es noch 1878 im Inventar der Schlosskapelle (der heutigen Einhardskapelle) gelistet wurde, gelangte das spätgotische Relief Ende des 19. Jahrhunderts in den Oraniersaal und fand schließlich seine Aufstellung im Roten Salon. „Bei einer Führung durch die Schlossräume können nun spätgotisches Original und Küchlers Interpretation in Elfenbein in ein und demselben Raum betrachtet werden“, stellte die Museumsleiterin den Zusammenhang her. Zu diesem Zweck habe die Betriebsgesellschaft Schloss Erbach gGmbH in den vergangenen Tagen eine eigene Vitrine eingerichtet.

Küchler arbeitete an seiner Schutzmantelmadonna zwischen 1944 und 1951 in eigener Werkstatt, die unweit des Schlosses gelegen habe. Anders als das aus mehreren Bohlen zusammengesetzte und plan angelegte Holzrelief, folgt die verkleinerte Gestaltung des Motivs der natürlichen vorgegebenen Rundung des Stoßzahns. Küchler fügte die 15 Zentimeter große Schutzmantelmadonna in einen neogotischen, mit Schleierbrettern versehenen hölzernen Schrein ein. Danach versah er die Innenwände des nun auf insgesamt 23,5 Zentimeter vergrößerten Kunstwerks mit Blattgold, was einmal mehr die sakrale Aura des Werks unterstreiche. Behringer-Roßwinkel geht davon aus, dass die Vorbilder für Marias Antlitz in den Frauentypen seines Werkstattkollegen Ludwig Walthers zu finden sind. 

Foto: Manfred Giebenhain

 

 Zur Person Franz Ludwig Küchler:

Franz Ludwig Küchler wurde am 27. April 1892 in Erbach geboren. Er erhielt seine künstlerische Ausbildung in der Werkstatt Philipp Willmanns. Wie Ferdinand Preiss und Johann Balthasar Trumpfheller arbeitete auch Franz Ludwig Küchler in der Kurstadt Baden-Baden für den Elfenbeinhändler Carl Louis Haebler, der dort seit 1881 ein Verkaufsgeschäft mit Elfenbeinateliers unterhielt. Ab 1910 wurde Küchler für die Firma Preiss & Kassler in Berlin tätig. Nach dem Ersten Weltkrieg machte er sich selbstständig und gründete wohl gemeinsam mit Walther in Berlin eine eigene Werkstatt. Noch während des Zweiten Weltkriegs siedelte Küchler nach Erbach über. Mit seiner Familie bezog er eines der Wirtschaftsgebäude des Erbacher Schlosses und richtete sich hier eine neue Werkstatt ein.

Zurück zu allen Beiträgen